Tutorial: Wir modifizieren unser Schwertgehilz

Die meisten Gehilze moderner Fechtschwerter taugen wenig: Sie sind lieblos gemacht, fühlen sich nicht gut an, sehen oft unhistorisch aus und haben mehr von einem Tennisschläger als von einem Schwertgriff. Deshalb bastle ich meine Griffe gerne selbst, so wie bei diesem Schwert hier, ein „Maximilian“ von GiNo. Ausgangspunkt ist eine -bereits von mir gebastelte- Belederung, mit der ich jedoch unzufrieden war. Sie sah zwar hübsch aus, war mir aber etwas zu dick geraten, so dass ich zu viel Kraft in das Festhalten der Waffe investieren musste und immer an der Sehnenscheidenentzündung entlang schrammte. Komfort geht aber vor Optik, also bestand Handlungsbedarf. Die folgende Anleitung erhebt keinesfalls den Anspruch einer authentischen Handwerksarbeit im Sinne einer musealen Rekonstruktion. Angestrebt ist lediglich eine historisch plausible Optik, jedoch bediene ich mich beim Bau mehrfach moderner Hilfsmittel, wie z.B. synthetisch gefärbtes Leder und Pattex-Leim.
Die Materialien sind: Buchenholzplättchen (8- und 6 mm), Holzkit, Sekundenkleber und Leim, farbiges Glattleder (1 mm und 3 mm) und gewachstes Flachsgarn.

 
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Zuerst einal heißt es: Runter mit dem ollen Zeug! Und zwar radikal, denn ich wollte diesmal nicht nur einfach ein neues Leder draufmachen, sondern gleich den ganzen Griff neu bauen. Hierbei sieht man, wie schlampig teilweise von Händlerseite gearbeitet wird: GiNo liefert die Waffen nämlich ohne Griff an diesen speziellen Händler („Der Waffenmeister“) aus und dieser baut die Griffe selbst. Aus Fahradlenkerband! Unfassbar, das arme Schwert!
An dieser Stelle sehen wir auch, dass GiNo seine Schwerter nicht unbedingt nach musealen Standards baut: Die Angel ist sehr breit, Kreuz und Knauf sind fest mit der Angel verscheißt, was die Konstruktion natürlich sehr robust macht. Bei einer historischen Waffe wäre das Kreuz lediglich mit einem Metalguss (z.. Messing) fixiert und das ganze Gehilz würde durch die Knaufniete unter Spannung gehalten. Hierbei käme der Hilze (also dem Holzkörper des Griffs) eine wichtige Funktion als mechanische Fixierung zu. Glücklicherweise muss ich mir darum hier keine Gedanken machen; ich muss meinen Griff lediglich in eine stabile Konstruktion einfügen.

 
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Nachdem ich die Angel komplett freigelegt habe, übertrage ich deren Form hier erst einmal auf eine Papierschablone. Es ist wichtig, hier absolut akkurat vorzugehen, denn von der Genauigkeit dieser Schablone hängt die spätere Passgenauigkeit des Griffes ab.
 
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Diese Schablone wiederum verwende ich als Blaupause für die Form des späteren Griffes. Der Griff soll dort, wo die rechte Hand zugreift, 32 mm breit und 22 mm dick sein (vorher waren es 39 auf 30 mm) sein, dazu kommt dann später noch 1 mm Lederbezug. Angel hat eine Dicke von 6 mm, also benötige ich Holzleisten von 8 mm Stärke.
Mir schwebt ein schlanke, kantiger Griff vor, mit einer „knochigen“ Optik. Weil ich faul bin, zeichne ich die Form direkt auf dem Holz an, was keine gute Idee ist, denn beim ersten Versuch kommt Murks heraus. Doch Versuch Nr. 2 gelingt. 😉
 
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Wenn man sich sicher ist, dass die Form korrekt ist und -wichtig!- die Angel auch wirklich hineinpasst und nirgendwo überragen würde,  kann man sich an das Aussägen wagen.
 
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Die Kanten der Griffschalen müssen massiv abgeschrägt werden, und zwar möglichst gerade und gleichmäßig. Das geht nur mit einem gescheiten Schnitzmesser. Das Holz ist Buche. Es ist einerseits hart genug um seinen Zweck zu erfüllen, andererseits weich genug, um den Schnitz-Laien nicht in den Wahnsinn zu treiben. Von billigem Kiefernholz rate ich ab: Es ist so weich, dass es beim Schnitzen in diesem Größenmaßstab jederzeit brechen kann.
 
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Die beiden fertige Griffschalen, penibel in Form geschnitzt und mit Sandpapier geglättet. Zum Kreuz und zum Ort hin habe ich etwas von der Schalendicke abgenommen, damit der Übergang zu den Enden harmonischer wird und sich der spätere Lederbezug nicht überseht.
 
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Das Einpassen der Griffschalen. Aufgrund der Schweißnähte musste ich sie auch auf der Innenseite etwas mit dem Schnitzesser bearbeiten. Sie passen exakt mit etwas Spannung an ihren Platz, aber damit sich später beim Nähen nichts verschiebt, fixiere ich sie dennoch mit etwas Leim.
 
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Jetzt fehlt noch etwas Detailarbeit: Mit dem Schnitzmesser harmonisiere ich die Form noch ein wenig und mache die Schrägen prägnanter. Am Kreuz und der mittleren Verdickung stehen die Schalen natürlich über, hier fülle ich die Lüge mit passend zugesägten Teilen auf und verfuge die Spalten mit Holzkit. Steht die Form, raue ich das Ganze wieder etwas mit grobem Schleifpapier an (daher der fusselige Look) und klebe die Lederriemen für die Zwingen auf. Zwingen sind kein optisches Gimmik, sondern erfüllen einen wichtigen fechterischen Zweck: Sie geben dem Kämpfer eine intuitiv spürbare Information darüber, wie weit seine rechte Hand vor dem Kreuz liegt ist und wie der das Schwert genau hält. Daher entscheide ich mich für zwei Zwingen: Eine für die Gehilzmitte und eine etwas weniger dicke, die zwei Fingerbreit vor dem Kreuz liegt.
 
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Nun kann das Hilzenleder in aller Ruhe angebracht werden. Ich habe mich für ein auffällig- aggressives Ferrari-Rot entschieden, damit ich meinen Stahl zwischen all den anderen Schwertern in der Fechthalle sofort entdecke. 😉 Auf Schnickschnack wie Ziernähte und Punzierungen verzichte ich diesmal, die sind ja sowieso nach wenigen Monaten komplett abgegriffen und verschmutzt.
Bei meiner vorherigen Belederung habe ich ungefärbtes Naturleder in Wasser eingeweicht und dann sehr knapp aufgenäht, was sehr klug war: Durch das folgende Trocknen und Zusammenziehen wurde der Griff sehr passgenau. Hier geht das leider nicht. Erstens ist die Griffform zu komplex, zweitens ist dieses Leder bereits gefärbt und imprägniert, es nimmt das Wasser nicht mehr ausreichend auf und dehnt sich daher nicht mehr zu gut beim Basteln. Stattdessen klebe ich das Leder von einer auf die Andere Seite passgenau auf und vernähe es zum Schluss zusätzlich. Das hat den Vorteil, dass ich keine komplizierte Form anzeichnen muss, sondern nach dem Kleben einfach nur den überstehenden Rand wegschneide und die dann passgenauen Ränder unter Spannung vernähen kann. Übrigens höre ich immer wieder die Frage: „Kleben oder Nähen“? Historisch stimmig sind beide Varianten, auch in Kombination. Ich habe mehrfach originale Schwerter mit Nähten im Griffleder gesehen, jedoch war eine Mehrheit der von mir persönlich untersuchten Exemplare lediglich beklebt.
 
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Sieht schon ganz gut aus, schön schlank. Aber es fehlt noch etwas. Richtig: Wirklich coole Schwerter der „Sattelzeit“ haben eine Kreuzkappe! Kreuzkappen sieht man auf der vielen historischen Abbildungen des ausgehenden 15. Jahrhunderts und von modernen Waffenkundlern werden sie als „Regenleder“ bezeichnet. Ich lehne diese Bezeichnung als unhistorisch -und den damit assoziierte Verwendungszweck als nicht belegt- ab. Sicherlich schützt die Kreuzkappe die Klinge auch vor in die scheide eindringendem Regenwasser, doch scheint mir diese Erklärung zu kurz gegriffen und bemüht. Der praxiserprobte Kämpfer weiß hingegen, dass die Kreuzkappe beim Bloßechten als zusätzlicher Fingerschutz wirkt und außerdem eine gute Daumenauflage beim Winden darstellt. Roland Wazercha (Dimicator) wiederum hat in einem Praxisversuch mit Schnitttests an frischem (natürlich toten) Jagdwild herausgearbeitet, dass blutige Schwertgriffe extrem rutschig sind und eine Kreuzkappe Verunreinigungen dieser Art verhindert. Der letztgenannte Zweck ist für uns freilich irrelevant: Wir genießen den Zusatzkomfort beim Fechten und erfreuen uns am historischen Look. 😉
 
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Belegbar sind recht viele Formen und Konstruktionsweisen einer Kreuzkappe: Halbkreis-, Tropfen- oder Rechtecksförmig, als reine Überlappung, als Becherkonstruktion oder gar als komplette Umhüllung aller Metallteile (So gesehen und eigenhändig untersucht in der Waffensammlung der Wiener Hofburg). Ich entscheide mich bei meiner Kreuzkappe für die gleiche Konstruktion wie beim letzten Mal, nämlich ein Leder, das auch das Kreuz teilweise umschließt.  Nur baue ich die Kappe diesmal aus einem dünneren Leder und verstärke sie über der Klinge mit einem dicken Lederstück. Das gedankliche konstruieren und folgende Anzeichnen der Form ist nicht unbedingt trivial: Man muss die vier Nahten und Umschließung des Stabilisierungsleders berücksichtigen, die Knicke und Rundungsschnitte genau planen und darf außerdem nicht zuviel wegschneiden.
 
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Hier bin ich bereit am Vernähen des Konstrukts. Leider habe ich etwas zuviel weggeschnitten und muss sehr viel Spannung auf das Garn geben, um das Kreuz komplett einzuhüllen. Dadurch sieht man die Nähte wiederum etwas zu deutlich. Naja, Kreuzkappen sind sowieso Verbrauchsmaterial und sollten bei Trainingswaffen nicht zu verkünstelt ausfallen.
 
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Puh, fertig. Ich finde, die neue Holze ist gelungen. Vor allem fühlt sie sich wunderbar an und ist im Handling „genau richtig“. Für die nächste Hilze, die ich mir basteln werde, nehme ich mir noch etwas mehr historische Akkuratesse und bessere Nähre vor. Aber als Inspirationsquelle und alleine schon aufgrund des Mangels an vergleichbaren Anleitungen sollte Euch dieses kleine Tutorial weiterhelfen können.
 
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